Fotos: W. Broemser
Neues Augusteum und Paulinum, Leipzig
Architekt: Erick van Egeraat (Rotterdam)
Bauzeit: 2007-2012/17
Architekturen // Universitätscampus
"Höhepunkt des Neubaus wird
zweifellos der Innenraum der Aula,
der mit der Materialwahl von
weißem Putz, Glas und Porzellan-
elementen eine helle und würde-
volle Ausstrahlung erzeugt. Ich bin
davon überzeugt, dass mit diesem
Raum alle Diskussionen über das
Befürworten oder Ablehnen des
Wiederaufbaus der Kirche beendet
werden und die Leipziger wieder
froh sein können mit der Erinne-
rung an die Paulinerkirche."
         Der Architekt Erick van Egeraat
"Da möchte man glatt noch mal Student sein!"
"Kann es sein, dass du das schon mal gesagt hast, Bruder?"
Leibniz-Denkmal im Leibniz-forum, dem Innenhof der neugestalteten Universität 
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Das von Arwed Roßbach umgestaltete Augusteum (links) wurde im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt. Das spätgotische Paulinum trug nur geringe Schäden davon. Beide Gebäude wurden 1968 auf Wunsch der Universität und durch Beschluss der SED-geführten Stadtverwaltung gesprengt (Foto von 1947).
Das Eigenlob des Planers stinkt nicht - das Innere des neuen Paulinums bietet ein grandioses Raumerlebnis. Zusammen mit der Probsteikirche St. Trinitatis stehen damit die zwei schönsten Kirchenneubauten der jüngsten Zeit in Leipzig. Sie können Un-gläubige ob ihres Unglaubens traurig machen.
In Leipzig ist dem holländischen Architekten Erick van Egeraat die
Quadratur des Kreises gelungen: Sein charismatischer Neubau des
Hauptgebäudes der Universität rekonstruiert in moderner Formen-
sprache die beiden Vorgängerbauten, die gotische Universitäts-
kirche St. Pauli und das gründerzeitliche Augusteum. Im Gegensatz
zu früher bilden sie jetzt einen zusammenhängenden Baukörper.
Das neue Augusteum nimmt die Fakultät für Mathematik und In-
formatik, das Rechenzentrum und das Auditorium Maximum auf.
Das neue Paulinum beherbergt die Aula und einen Altar- und
Andachtsraum, der zahlreiche Kunstwerke der vom SED-Regime
gesprengten Kirche enthält. Es wurde erst 2017, mit mehrjähriger
Verspätung, eingeweiht; ein Grund war wohl die zwischenzeitliche
Insolvenz des Architekturbüros.
Das geistige Zentrum der Stadt

Der zerklüftete Komplex verleiht der Westseite des übergroßen
Augustusplatzes wieder eine Fassung. Fensterschlitze aus blauem
Architekturglas und lisenenförmige Natursteinstützen prägen die
Fassade. Die wertige Ausstrahlung zeigt an, dass es sich hier um   
das geistige und geistliche Zentrum der Stadt im Zentrum der Stadt
handelt. Die Giebelwand der neuen Paulinerkirche wird von einem
modern interpretierten Rosen- und Spitzbogenfenster akzentuiert.
Dahinter ragt, wie aus einem expressionistischen Filmset stam-
mend, ein nadelspitzer Glockenturm empor, der die Glocke der
gesprengten Kirche enthält. Form und Funktion beschwören die
Erinnerung an den Dachreiter der mittelalterlichen Klosterkirche
herauf. Das neue Paulinum schlägt, in traumhaft-abstrakter
Verrückung, einen suggestiven Bogen zu seinem Vorgängerbau.
Schloss Hogwarts am Augustusplatz?

Die Aula der neuen Universitätskirche gaukelt mit ihren Strebe-
pfeilern, Spitzbogenfenstern und dem Netzgewölbe ein gotisches
Kirchenschiff vor. In dem Raum finden, wie auch früher, sowohl
Gottesdienste als auch weltliche Konzerte und akademische Fest-
akte statt. Wenn man weiß, dass sich über dem Kreuzrippen-
gewölbe mehrere Etagen mit Räumen für Mathematik- und
Informatikstudenten stapeln, kommt einem das Kircheninnere   
wie sakraler Budenzauber, wie Fantasy-Architektur aus der Welt
von Harry Potter, vor. Das hybride Bauprogramm mit seinen  
unterschiedlichsten Nutzungen löst leichten Schwindel aus -   
ist das alles nur Schwindel? Nein, das ist alles ganz real.
Architektur als barocke Oper

Die exzentrischen Anforderungen haben den exzentrischen Archi-
tekten zu Höchstleistungen angespornt. Der Holländer nennt sein
unkonventionelles Bauen "modernen" Barock - Architektur darf
wieder expressiv sein und opulent, ihre Funktion übersteigen und
sie damit steigern. Waren van Egeraats bisherige Arbeiten barocke
Fingerübungen, ist dieser Bau seine barocke Oper. Sie bringt
Universität und Kirche als Stätten eines geistigen Eigenlebens kon-
genial, mit architektonisch-eigenwilligen Mitteln, zum Sprechen -
oder Klingen. Dieser Wunsch nach Theatralik passt nicht schlecht
zu einer Stadt, die so sehr vom "Barock" des 19. Jahrhunderts, der
theatralischen Architektur der Gründerzeit, geprägt ist. Hier ist der
Schein als das höhere Sein willkommen - und sei er so fakeartig
und anachronistisch wie bei Harry Potter. Doch das 'verrückte'
Campus-Gebäude lebt, denn Exzentrik, also der Wille zum Aus-
druck, ist der Born allen Lebens.
O Lovely Moon |