Fotos: W. Broemser
Forum Confluentes, Koblenz
Planung: Benthem Crouwel (Aachen/Amsterdam)
Bauzeit: 2011-2013
Architekturen // Kulturzentrum
George Clarkson Stanfield:
Moselbrücke Koblenz, gemalt
1873 > Zu sehen im Mittelrhein-
Museum
"Dass sie mit Fahrstühlen aufs Dach fahren und Wache schieben können. Dabei haben die null Feinde - außer sich selbst."
Kultur in R(h-)einformat
"Da oben sehen die Koblenzer endlich, wie hässlich ihre Stadt ist!"
Forum Confluentes
> Zu hören im Romanticum,
wo das romantischste aller
Täler seinen inszenierten
Charme versprüht.
Kultur statt nur Kommerz,
Edutainment statt nur Shopping -
Koblenz kann sich glücklich schät-
zen für seine Idee, ein neues
Kulturzentrum zum Magneten
der Innenstadt zu machen, die
dadurch selbst neue Magnetkraft
gewinnt. Doch sind die bauliche
Umsetzung des Projekts und die
überdimensionalen Kosten Wer-
mutstropfen, die diesen kultur-
politischen und städtebaulichen
Coup stark beeinträchtigen.
"Auf Kultur hab' ich null Bock, Brüder. Was reizt Menschen an Kulturzentren?"
Make the town center
great again!
"Diese Vertierung von Menschen finde ich höchst problematisch, Freunde. Das ist toxischer Zoozentrismus!"
Forum Confluentes
Zentralplatz 1
56068 Koblenz
Öffnungszeiten:
tägl. 10 - 18 Uhr
Luftbild: Stadt Koblenz
Das neue Kulturzentrum der Stadt Koblenz haucht gemeinsam mit dem
Mittelrhein-Forum, einem Shopping-Center, dem lange brachliegenden
Zentralplatz der Stadt wieder Leben ein. Der imposante Solitärbau
besitzt eine zweischalige Klimafassade, mit einer Außenhülle aus weiß
siebbedrucktem Glas, und bündelt die städtischen Kultureinrichtungen
unter einem Dach: das Mittelrhein-Museum - eines der ältesten bürger-
lichen Museen Deutschlands -, die Stadtbibliothek und die Tourist-
Information. Der Name des Zentrums verweist auf die Flüsse Rhein und
Mosel, die am Deutschen Eck zusammenfließen.
Lesen, schauen, staunen
Die drei Einrichtungen empfangen den Besucher mit ihren Auftakt-
bereichen im Foyer des Forums. Hier nimmt ein dreißig Meter hohes
Atrium seinen Anfang und lenkt die Blicke nach oben. Der gigantische
Lichthof wird nur durch das erste Obergeschoss unterbrochen, das wie
ein abgeschlossener Block, ein Haus im Haus, die Bestände des Museums
erstmals umfassend zeigt. Das zweite bis fünfte Obergeschoss beherbergt
die Stadtbibliothek. Der hier durch alle Etagen reichende Luftraum löst
einen Wow-Effekt aus, lässt, wenn man auf der Rolltreppe nach oben
fährt, die Gebäudemasse physisch erleben. Das durch das Glasdach
einfallende Licht erhellt die Bibliotheksräume auch in Dunkelzonen.
Ein Panorama-Aufzug befördert die Besucher auf das Dach des Forums.
Von dort aus lässt sich fast die gesamte Innenstadt überblicken.
Ein Fels in der Strömung
Dank seinem dreieckigen Grundriss fügt sich der Kulturbau geschickt in
die beengte westliche Ecke des Platzes ein. Gemeinsam mit dem Ein-
kaufszentrum soll er die Fußgängerströme lenken, von diesen umspült
und abgeschliffen werden wie ein Fels in der Strömung. Der Vernetzung
mit der Außenwelt dienen Ausgänge zum neuen (verkleinerten) Zentral-
platz, der Clemensstraße und dem neu geschaffenen Trichterplatz.
Dieser bildet eine Engstelle zwischen Kultur- und Einkaufszentrum, die
verbirgt, was hinter der Kurve kommt, nämlich der Übergang zur
Koblenzer Altstadt. Indem die beiden Neubauten Wegbeziehungen
schaffen und zugleich Blickbeziehungen verstellen, erzeugen sie eine
reizvolle Spannung.
Edelbunker & PR-Instrument
Kritiker werfen dem neunzig Millionen Euro teuren Neubau Gigantismus
und fehlende Maßstäblichkeit vor. Nicht zu Unrecht - wie ein veredelter
Hochbunker besetzt das Forum das Innere des Platzes, erdrückt diesen
mit seiner enormen Präsenz, die durch die Monotonie der fensterlosen
Fassade noch verstärkt wird. Das Kulturzentrum schüchtert ein, statt
einladend zu wirken. Hinter seiner Hülle verbergen sich über 100.000
Kubikmeter umbauter Raum, aber nur 12.000 Quadratmeter Nutzfläche
- der kolossale Bau ist wie gebauter Meteorismus, eine aufgedonnerte
Luftnummer.
Durch einen weniger großen Lichthof hätte sich ein komplettes Stock-
werk einsparen lassen. Doch hilft die Fülle an natürlicher Belichtung
dabei, Strom einzusparen und das Haus als Event-Architektur* zu
inszenieren. Denn dies ist das unausgesprochene Ziel: Das hoch ver-
schuldete Koblenz will sein dröges Image als Behörden- und Bundes-
wehrstadt abstreifen, will Touristen und Neubürger anlocken - kein
Ding der Unmöglichkeit mit diesem Eisberg voller Kultur und Luft, an
dem aber alle finanzielle Konsolidierung der Stadt vorerst zerschellt.
*) Wie Architektur als PR-Maschine funktioniert, haben Bilbao mit dem Guggenheim-
Museum oder Oslo mit der neuen Oper und dem Büroviertel Barcode vorgeführt. Ob
die Rechnung auch im kleinen Koblenz aufgeht, erscheint eher fraglich. Spektakel-
Architektur funktioniert nur, wenn sie, als kontrollierter Exzess, nicht rein ästhetisch
funktioniert, sondern auch soziale Aspekte berücksichtigt, einer Mehrheit nutzt,
finanzierbar ist und den richtigen Ort aufmischt.
Sgraffito im Aufzug des Forums, das sich bisher nicht entfernen ließ.