Fotos: W. Broemser
Bürohaus Dockland, Hamburg
Architekten: Bothe, Richter, Teherani (Hamburg)
Bauzeit: 2004-2006
Architekturen // Bürohaus
Eine Immobilie, die mobil macht
Bürohaus Dockland
Arbeiten und dabei über dem Wasser schweben, das geht in Deutschland
wohl am besten in Hamburg, dem Tor zur Welt, das architektonisch leider
nicht immer die große Welt ist - siehe die Elefantenparade der Solitärbau-
ten in der Hafencity, wo auch Wohnhäuser aussehen wie Bürokästen, wo
Hochhäuser zum Schutz der Kirchturm-Silhouette nicht (zu) hoch sein dürfen
und daher keine Proportion haben, wo Backsteinfassaden als "anheimelnde
Tarnkappe" fungieren und das "nostalgische Lokalkolorit" (Niklas Maak) zum
Kaschieren urbaner Langeweile liefern. Das Dockland zwei Kilometer weiter
westlich zeigt dagegen, was möglich ist an maritim inspiriertem Bauen: Hier
wird einer Immobilie Bewegung eingehaucht, hier darf ein Hamburger Vor-
zeigearchitekt ein Statement setzen. Architektur hat Spektakel zu sein, kon-
trollierter Exzess, nur dann liefert sie mehr als ein Dach und vier Wände.
Gebäude müssen bestaunt werden wie Models auf dem Catwalk - und
zugleich "tragbar" sein. Architektur muss auch schön sein (dürfen).
Stadttor mit langem Bug
Wie ein "Tor zur Stadt Hamburg" (Hadi Teherani) erhebt sich das gläserne
Parallelogramm des preisgekrönten Neubaus am Altonaer Elbufer. Ein 40
Meter langer Bug kragt in einem Winkel von 26 Grad frei aus und gibt dem
Gebäude die Anmutung eines Schiffes, das permanent in See sticht.*) Eine
Konstruktion aus Stahlrahmen trägt die skulpturale Erscheinung, für deren
Bau eigens Sand am Ufer der Norderelbe aufgeschüttet werden musste. Die
verglaste Fassade erlaubt einen weiten Ausblick auf das Hafenpanorama.
Besucher können über eine doppelte Freitreppe am Heck die öffentlich
zugängliche Dachterrasse erreichen.
Keine Holzklasse - der neue Holzhafen
"Die Breite des Hauses ermöglicht es, Kommunikationszonen wie Teeküchen
oder Besprechungsräume im Mittelbereich anzusiedeln, ebenso Archive und
Druckerräume. Die offenen Flächen mit frei eingestelltem Mobiliar schaffen
eine großzügige Umgebung zum Arbeiten" (Teherani). Das Dockland fügt sich
in einen Reigen neu errichteter Wohn- und Büroimmobilien (Hanse Gate,
Columbia Twins, Elbdeck, Elbkaihaus), die das Gelände am Altonaer Fische-
reihafen zu einem architektonischen Hotspot Hamburgs machen - neben der
Hafencity und dem lange vernachlässigten Harburger Binnenhafen ("Channel
Harburg").
Die Hansestadt machte manches falsch...
Viele Projekte, vor allem in der Hafencity, wurden und werden jedoch nur
schleppend realisiert, und das ist auch der Inkompetenz der Hamburger Bau-
politik geschuldet. Bei der Elbphilharmonie verhob sich der Stadtstaat als
Bauherr deutlich, stellte das Prestigeobjekt, nach eineinhalbjährigem Bau-
stopp, nicht 2010, sondern erst 2016 fertig, und musste auf die geplanten
77 Millionen Euro noch 789 Millionen (!) draufsatteln. Beim südlichen Über-
seequartier setzte der städtische Entwickler und Vermarkter, die Hafencity
GmbH, zuerst auf die Falschen. Dann dauerte es Jahre, bis man "Mr. Right",
in diesem Fall Unibail Rodamco, an Land zog. Das neue Mittel der Anhand-
gabe der Hafengrundstücke musste wohl erst eingeübt werden.
*) "Dynamismus" heißt der Architekturstil, der Gebäude schafft, die aus der Reihe tanzen, die
nicht stillhalten wollen, die so lebendig wirken, dass der Ausdruck "Lebenszyklus" für Immobilien
plötzlich mit Leben erfüllt wird. Je mehr Stil Architektur hat, je mehr ihre Ausdrucksseite die
materielle Seite dominiert, desto mehr wird Architektur zum Akteur, der auf uns einwirken will.
(Architektur ohne Stil lässt dagegen unser Bedürfnis nach Kontakt zur gebauten Umwelt ver-
kümmern, was die Qualität unseres Lebens untergräbt - es fehlt uns etwas, auch wenn wir nicht
wissen, was.) Zaha Hadids Wissenschaftsmuseum phaeno ist so ein "aktiver" Zeitgenosse, oder
Delugan Meissls Porsche-Museum, Hadi Teheranis Tanzende Türme an der Reeperbahn sowieso,
und Günther Domenigs Büro-Lindwurm, das T-Center in Wien, wirkt fast bedrohlich mit seinem
unbändigen Drang nach Bewegung. Architektur schafft, anders als Bauen, nicht nur einen Ge-
brauchsgegenstand, sondern ein Kommunikationsmedium, das mich anspricht - gelingt das,
ist sie (Bau-)Kunst, "schöner" Akteur. Häuser dürfen nicht tot, nicht stumm sein, sonst töten sie.
"Hamburg bräuchte höhere Wohn- und Gewerbegebäude, wenn schon nicht direkt im Zentrum, dann doch wenigstens an der Peripherie der Innenstadt wie an den Elbbrücken, an den Ausläufern der Hafencity... Das würde Hamburg viel Aufmerk-samkeit bringen."
Andreas Wende, Savills
vergammelt, nicht nur aus Finanznot, sondern auch, weil es politisch gewollt
ist). Das Embellissement aus nüchternem Kalkül wirkt - Einheimische kom-
men verstärkt, Touristen kommen verstärkt. Schönheit ist messbar und kennt
im Idealfall nur Gewinner. Und vielleicht ist ja das Leben im Norden ideal,
denn laut Umfragen leben dort die glücklichsten Deutschen.
...aber vieles richtiger als andere
Die Stadt zeigt mit ihrem aus tausend Jahren Selbstverwaltung hervorge-
gangenen Pragmatismus aber auch ein anderes Gesicht: Hier wurde das
bundesweit erste Wohnbündnis zwischen einer Verwaltung und städtischen
und privaten Wohnungsverbänden geschlossen. Es brachte in den vergan-
genen Jahren Zehntausende neue Wohnungen hervor und half, den Anstieg
genehmigt. Die Mieten stiegen erneut weniger stark an als die Inflation, die
Löhne und die Renten - in einer Stadt, deren Bruttoinlandsprodukt pro Kopf
höher ist als das von London und Paris.
Stilvolles Bauen ist nur ein Tropfen auf den Stein der vorherrschenden Stillosigkeit, eine Blüte
in der Wüste, eine Beschwörung der Metaebene mit Stein und Putz, Glas und Stahl - wie es
Brotmuseum. Die Metaebene lässt sich mit Begriffen wie "Italianità" (Gravensteiner Platz) oder
"Wolkenschiff" (Paneum), "Meeresschiff" (Dockland) oder "Himmelsleiter" (Elbtower) umschrei-
ben. Baukunst ist die wirksamste, da am stärksten öffentlich wirkende Kunst. Allerdings wirkt sie
nur, wenn sie schön ist; hässlichen Bauten verschließen wir uns. Infolgedessen ist der Architekt, der
wirksame, also schöne Architektur schafft, der glücklichste aller Menschen. Er weiß: Das Schöne,
also das, was uns klüger und empfänglicher macht als wir es sonst sind, ist so elementar wie das
sozial Gerechte oder ökologisch Nachhaltige. Planer, die Ästhetisches als vordergründig abtun,
haben ihr Fach nicht verstanden. Zu sagen: "Schönheit liegt im Auge des Betrachters" fördert die
Hässlichkeit und damit das Unglücklichsein. Nur Schönheit macht uns sozial, nur Schönheit schützt
uns vor Verzweiflung.
Herausgeputzte Innenstadt
Nur an der Alster gibt es die aus Kanada importierten "Business Improvement Districts" (BID), bei denen Anlieger in die Aufwertung ihres Quartiers inves-tieren, um das Flair zu schaffen, das Amazon fehlt. Auch die Stadt investiert Millionen in die Verschönerung von Straßen und Plätzen. Das putzt das Zen- trum so heraus, dass es, für deutsche Verhältnisse, fast schon aufreizend
"Das Bauwesen Deutschlands dient nicht dem Bürger, sondern primär den
regierenden Politikern. Es ermöglicht ihnen, bauen zu können, was und wie
sie wollen, ohne jemals dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden."
"Ein Bürogebäude, das so viel mehr als Arbeit bietet: ein zweites Zuhause."
Kreativ bewegte, von Software-Akrobaten ausgetüftelte Architektur ist kein eitler Selbstzweck.
Im Idealfall steckt sie, da sie Stil hat, die Nutzer an, macht auch sie kreativ und geistig beweglich,
so dass im Bürobereich die Ideen des 'neuen Arbeitens' - agiles Projektmanagement, flache
Hierarchien, Vernetzung - umgesetzt werden können. New Work-orientierte Architektur ist
designorientiert, denn Räume für Kreativität müssen kreativ designt sein. Gebautes Design be-
stimmt das Bewusstsein und berührt, falls es funktional und schön zugleich ist, eine "Metaebene"
(Wolf D. Prix). Dann fallen Arbeitsort und Lebensort zusammen, wird das Office zum "Office-
home", in dem man seine Möglichkeiten entfesseln kann (wohingegen man im Homeoffice unter
seinen Möglichkeiten bleibt). Anregende Architektur stiftet anregende Kontakte, aus denen Neues
entstehen kann. Der einzelne wächst an der Gemeinschaft, die Gemeinschaft am einzelnen; und
die Energie zur Auslösung solcher Reaktionen liefert das innovative Gebäude. Unternehmen, die
architekturaffin sind, haben die besseren Mitarbeiter - Mitarbeiter, die nicht zu Hause, sondern
vor Ort, im Team, arbeiten möchten.
Let's dance: Diese Performance muss Herrn Llambi doch begeistern! Bild: Wikipedia
Werbung für ein Berliner Projekt, die zeigt: Die schlimmste Coronafolge für Investoren und Vermieter ist das Homeoffice.
"Büros in Wohnungen umwandeln, und alle arbeiten wieder im Büro!"
Der Bundesbeauftragte für urbane Transformationsästhetik
Hat die Stadt schon wieder Angst vor der eigenen Courage?
"Hamburg ist kein Zwerg. Der Investor ist kein Zwerg. Und dann dieser Kleinmut - das ist nicht cool."
Helmut Schmidt, aus dem Jenseits
"Deutsch sein heißt: die Hosen vollzuhaben statt anzuhaben."
Der Investor, aus dem Diesseits
"Man muss auch mal was wollen - meine Hose bleibt leer, darauf verwette ich mein letztes Hemd!"
Oberbaudirektor Franz-Josef Höing
"Die Vorstellung einer Inve-stitionsruine ist absoluter Unfug!"
Hafencity-Chef Jürgen Bruns-Berentelg
"Das wird das geilste Hoch-haus der Welt!"
Olaf Scholz, der geilste Politiker der Welt
"Eine Absage des Elbtower wäre noch doofer als die Absage der Olympischen Spiele."
Uwe Seeler, Fußball-Legende
"Aber ist so viel Phallus nicht politisch unkorrekt, liebe Hamburger?"
Der Bewohner einer phalluslosen Kleinstadt
"Holl dat Muul, Döskopp!"
Uwe Seeler, inzwischen tot
"Das Besondere an dem Turm soll sein, dass er nichts Besonderes ist."
Architekt Jan Kleihues über den Signa-Turm am Berliner Alexan-derplatz - das krasse Gegenteil zum Elbtower, der ebenfalls von Signa errichtet wird.
"Mister Kleihues, stellen Sie Ihre Arbeit ein!"
David Chipperfield, Pritzker-Preisträger
"Architektur berührt immer eine Metaebene."
Wolf D. Prix, der Anti-Kleihues aus Österreich, der den Unter-schied zwischen Bauen und Architektur lehrt.
Diesem Maklerwunsch soll das am östlichen Ende der Hafencity geplante Jahrhundert-Projekt des Elbtower vollumfänglich gerecht werden. Der siegreiche Entwurf von David Chipperfield sieht einen weißen Riesen mit Fassadenlamellen aus Alumi-nium vor, so überirdisch schön wie der Lohengrinsche Schwan, eine Diva mit verdrehter Fas-sade, die jedem Ästheten den Kopf verdreht.
Doch während der Senat von Beginn an begeistert war, ließ sich die Hamburgische Bürger-schaft viel Zeit, ehe sie dem Verkauf des Grundstücks zu-stimmte. Denn sie hatte ihre Zweifel, ob der mindestens 700 Millionen Euro teure Bau sich gut vermarkten lässt. Hier sollen Büros, Geschäfte, Restau-rants, ein Hotel, Galerien und eine Bank einziehen. Aber gibt es nicht schon genug Büros und Hotels in der Stadt? Sicher, aber nicht in solch einer Ikone! Gla-mour zieht immer! Doch auch der Ort muss stimmen. Anders als der Savills-Manager meint, wäre eine Platzierung des Turms im Zentrum der Hafencity sinn-voller gewesen. Die Verban- nung ganz ans östliche Ende, ins Niemandsland zwischen zwei Elbbrücken, dürfte hin-gegen die Vermietung des Riesen riesenschwer machen.
Ist das der Turmsturz zu Ham-burg? (Nachtrag 2024)
Jetzt hat also Putin René Benko, den Bauherrn des Elbtower und Chef der Signagruppe, in die Plei- te geritten - und die Deutschen freut's auch noch, dass der "Ösi-Milliardär" in die Knie ging. Er machte es seinen Hatern aber auch leicht: Mit spektakulären Immobilien der Premiumklasse wollte Benko die Innenstädte aufmöbeln, doch zugleich schwächte er sie, weil er als Kaufhaus-"Sanierer" versagte.
"Wenn Wasser trocken wäre, wären wir die größten Wasserratten!"
"Dann würden wir der 'Queen Mary' davon-kraulen - mobiles first!"