Architekturen // Vinothek
Edler Raum für edle Tropfen
Wer Wein auf diese Art verkostet, erhäelt
von Vinotheken Hausverbot. Der Autor
weiß, wovon er spricht!
Die beliebteste Weinabfüll-
methode: die Umfüllung
vom Glas in den Magen
"...doch wenn man älter wird,
ein wenig kälter wird, bleibt
allein nur der Wein."
Peter Alexander: Weinlied
Fotos: Wolfgang Broemser
Neue Vinothek der Weinmanufaktur Walporzheim
Planung: haid architekten ingenieure (Müllenbach)
Bauzeit: 2010
"Kann Jesus den Wein als Symbol des Lebens preisen, obwohl
er gesundheitsschädlich ist?" Ein Winzer mit zehn Kindern
Vinothek
"Aber Weiber sind auch nicht übel, Dicker. Ich bin noch nicht
a-halt und noch nicht ka-halt!"
"Alkohol ist was für Deppen, Bruder. Buddeln, scharren und fressen
macht uns viel mehr Spaß."
Architekten müssen Weinliebhaber und Winzer Architekturliebhaber sein, anders ist
nicht zu erklären, warum so viele moderne Vinotheken entstehen und die Wettbewerbe
so viele Teilnehmer anlocken. Auch dürfen zeitgemäß gestylte Erzeuger-Weinläden bei
keinem Tag der Architektur mehr fehlen. Dieses Jahr lud ein neu gestalteter Verkos-
tungs-Hotspot im Ahrtal zum Picheln und Geldausgeben ein. Dabei konnte der Kenner
die bekannte Klage Kurt Tucholskys - "Schade, dass man einen Wein nicht streicheln
kann" - erneut Lügen strafen, denn was ist Weinverkostung anderes als das Streicheln
des Rebensaftes mit der Zunge?
Zu ihrem Bauprojekt sagen die Planer: "Mit der neuen Vinothek erhält die Winzer-
genossensenschaft Walporzheim im Ahrtal ein neues Gesicht. Innovative Holzbau-
systeme ermöglichten den Bau in kürzester Zeit. Die Schieferfassade und andere für
die Region typische Baustoffe setzen auf Signalwirkung. Glasflächen erlauben den
Blick nach innen und öffnen ihn in die Weinberge. Der Kontrast zwischen der klaren,
kubischen Form des Neubaus und der gewachsenen Struktur des Altbaus schafft ein
spannungsvolles Feld für den Verkaufs- und Probenraum rund um den Weinbau."
Die Architektenkammer des Landes bemerkt zu der neuen Liebesaffäre: "Wein und
Architektur - auf den ersten Blick sind das zwei Welten, die nicht viel miteinander zu
tun haben. Wie sehr dieser erste Blick täuschen kann, zeigen inzwischen viele Winzer-
betriebe in ganz Deutschland, aber auch in anderen Weinbau-Nationen. Längst haben
Winzer erkannt, dass ihr Wein eine Adresse braucht, einen Platz, an dem Weinfreunde
probieren, genießen und den Wein am Ort seiner Entstehung erleben können. Es sind
die handwerklich auf hohem Niveau arbeitenden Betriebe, die den Qualitätsanspruch,
den sie an ihr eigenes Produkt stellen, auch in den Gebäuden wiederfinden wollen."
Doch ungeachtet dieser großartigen Vermählungen von Wein- und Baukultur sinken
die Umsätze der deutschen Winzer seit Jahren. Die Axtschläge derer, die im Namen
eines "trockenen" Gesundheitskultes Hand anlegen an das flüssige Kulturgut Wein,
hallen immer lauter durchs Land. Einer der prominentesten Kulturgutschänder ist
Bas Kast, Wissenschaftsjournalist und Enkelkind eines Pfälzer Winzers (!). Er schreibt,
beinhart und gnadenlos: "Schon der erste Schluck Wein kann Krebs auslösen." Oder:
"Alkohol ist ein billiger Dopaminkick." Oder: "Alkohol lässt Hirnzellen früher altern."
Damit ist Kurt Tucholskys Liebeserklärung an den Rebensaft erledigt und nur zu retten,
wenn man sie wie folgt variiert: "Schade, dass man ein Mineralwasser nicht streicheln
kann". Edle Blasen sind genauso lecker wie edle Tropfen, rülps. Sollte man sich dann
noch, wie der Autor, an der prickelnden Architektur der neuen Vino-, pardon: Aqua-
theken, berauschen, ist sogar für den Ersatzrausch, den Proxy-Schwips, gesorgt!
"Lieber Herr Kast, wir kre-
denzen seit neuestem auch
Sprudelspezialitäten aus
Italien und der Eifel!"
Der Geschäftsführer der Wein-
manufaktur Walporzheim